1Mo 6, 12-17: Noah und der Regenbogen

1 Mose 6, 8-17: Noah und der Regenbogen

8 Und Gott sagte zu Noah und seinen Söhnen mit ihm: 9 Siehe, ich richte mit euch einen Bund auf und mit euren Nachkommen 10 und mit allem lebendigen Getier bei euch, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren auf Erden bei euch, von allem, was aus der Arche gegangen ist, was für Tiere es sind auf Erden. 11 Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch ausgerottet werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe. 12 Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: 13 Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. 14 Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. 15 Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. 16 Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. 17 Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.

Der schöne Mädchenname „Iris“ geht auf die griechische Götterbotin Iris zurück. Der Name bedeutet Regenbogen. In der griechischen Mythologie steht der Regenbogen also als Bildsymbol für die kommunikative Brücke zwischen Götterwelt und Erde. Auch in anderen Zusammenhängen wird der Regenbogen als Symbol gebraucht. In moderner Zeit steht er für die sexuelle Vielfalt der LGBTQI-Bewegung oder für Toleranz allgemein (z. B. im Fußball). Im Anhang zur Noah-Erzählung wird der Regenbogen zu einem Erinnerungszeichen an den Bund, den Gott nach der Sintflut mit Noah und seiner achtköpfigen Familie als einzige Überlebende der Flut schließt. Der Bund ist eigentlich ein Versprechen; Gott will das Leben auf der Erde nicht noch einmal ausrotten:

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören
Saat und Ernte, Frost und Hitze,
Sommer und Winter, Tag und Nacht
.
1Mo 8,22

 

Die Noahgeschichte erzählt kein historisches Ereignis. Es ist eine „Trosterzählung“, gespeist aus uralten Überschwemmungsmythen des Alten Orients. Wir kennen über 300 solcher Erzählungen. Die bekannteste ist das Gilgamesch-Epos, ca. 1000 Jahre älter als unser biblischer Bericht. Er ist eine mesopotamische Erzählung, die bis in den Wortlaut hinein Ähnlichkeiten mit der Bibel aufweist.

Alle diese Urflutgeschichten verarbeiten Erfahrungen, die die Völker dieser Erde oft gemacht haben und immer noch machen: die Konfrontation mit Überschwemmungen, ausgelöst durch Starkregen oder Tsunamis, die alles Leben mit übermäßiger Kraft hinwegrafften. Die Noahgeschichte grenzt das Katastrophenausmaß ein: Eine allesvernichtende Flut wird es nicht mehr geben. Alle Überschwemmungen, die nun nach der Sintflut noch folgen, sind lokale Ereignisse. Gott hält in seinem Zorn über die Menschheit gerade noch inne. Aus der Noahfamilie darf sich ein neues Menschengeschlecht entwickeln, auch wenn „das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens böse ist von Jugend auf“ (1Mo 8,21).

Äußeres Zeichen dieser Gott zugeschriebenen Zusage soll der Regenbogen sein. Seine physikalischen Gesetzmäßigkeiten hat als erster Bischof Marcantun de Dominis im Jahr 1611 erkannt. (Was die Kirche dazu bewog, seine Bücher zu verbrennen.) Es geht aber nicht um die äußeren physikalischen Gesetzmäßigkeiten, sondern um die Aufladung eines Naturphänomens mit einem symbolischen Inhalt. Das kennen wir auch von anderen Naturphänomenen. So wird der Tannenbaum zum Symbol winterüberdauernden Lebens. Die Sonne wird zum Symbol Gottes allgegenwärtiger Liebe („Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da“, Gerd Fuster 1970). Der Mercedesstern wird zum Symbol des „guten Sterns auf allen Straßen“. Der „Stern Jakobs“ wird zum Zeichen des Messianischen Reiches (4Mo 24,17 und Mt 2,2). Die Frage, ob es Tannenbäume, Sterne, Sonnen und Regenbögen schon früher, ja, schon immer gegeben hat, ist unwichtig. Entscheidend ist die Aufladung der Bilder mit der jeweiligen Bedeutung.

Der Regenbogen in der Noahgeschichte wird nun gleich mit zwei Bedeutungen aufgeladen. Die hebräische Sprache hat kein spezifisches Wort für Regenbogen, es heißt hier einfach: Bogen. Der Bogen konnte aber auch Kriegsbogen bedeuten. Erst der Zusammenhang machte deutlich, ob der Regenbogen oder der Kriegsbogen gemeint war. Und wenn wir bei Noah auf den Zusammenhang achten, merken wir, dass sowohl der Regenbogen als auch der Kriegsbogen gemeint sind.

Der Kriegsbogen war die bevorzugte Kampfwaffe der altorientalischen Götter. Das lässt sich auf vielen Abbildungen zeigen. Er steht also für die vernichtende Kraft Gottes, die in der Sintflut alles Leben dahinrafft. Von diesem Bogen heißt es in 1Mo 9,13, dass Gott ihn nun in die Wolken hängt, und zwar mit den Bogenenden nach unten. Der Bogen ruht. Der Kampf ist vorbei. Und der ruhende Bogen soll Gott immer daran erinnern, dass er mit diesem „bösen Geschlecht“ (1Mo 8,21) bereit ist, Frieden zu halten. So wird der Bogen als Kriegsbogen zu einem Erinnerungszeichen für Gott selbst:

Wenn ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man sehen meinen Bogen in den Wolken… dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen mir und allem Leben (1Mo 9,14 + 16).

Den Menschen lässt Gott durch seine Bibelautoren ausrichten: Wenn ihr den Regenbogen anschaut, so sollt ihr wissen, dass „solange die Erde besteht“ (8,22) keine umfassende Vernichtung des Lebens bevorsteht. Nach dunklen Gewitterwolken leuchtet wieder die Sonne und projiziert meinen ruhenden Kriegsbogen als Regenbogen an den Himmel.

Das ist natürlich wieder in Gänze symbolisch zu verstehen: Wofür immer die dunklen Wolken in meinem Leben stehen, Gottes Liebe ist größer und dauerhafter. Auch wenn er mir im Augenblick fern und vielleicht sogar drohend erscheint: Er gedenkt unser (8,1). Was uns Angst macht, wird sich im Angesicht des Bogens verflüchtigen. Der Bogen ist nicht nur gesenkt, er steht in seiner Buntheit und universellen Präsenz für Gottes Zeichen der Barmherzigkeit und Zuwendung zu allen Menschen auf Erden.