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Die Samariterin am Jakobsbrunnen (Jh. 4, 5-42)

1 Als nun Jesus erfuhr, daß den Pharisäern zu Ohren gekommen war, daß er mehr zu Jüngern machte und taufte als Johannes
2 - obwohl Jesus nicht selber taufte, sondern seine Jünger -,
3 verließ er Judäa und ging wieder nach Galiläa.
4 Er mußte aber durch Samarien reisen.
5 Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab.
6 Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde.
7 Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken!
8 Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen.
9 Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. -
10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser.
11 Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser?
12 Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.
13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten;
14 wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
15 Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muß, um zu schöpfen!
16 Jesus spricht zu ihr: Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her!
17 Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht geantwortet: Ich habe keinen Mann.
18 Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt.
19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist.
20 Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.
21 Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, daß ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.
22 Ihr wißt nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden.
23 Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben.
24 Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
25 Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, daß der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen.
26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.
27 Unterdessen kamen seine Jünger, und sie wunderten sich, daß er mit einer Frau redete; doch sagte niemand: Was fragst du? Oder: Was redest du mit ihr?
28 Da ließ die Frau ihren Krug stehen und ging in die Stadt und spricht zu den Leuten:
29 Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei!
30 Da gingen sie aus der Stadt heraus und kamen zu ihm.
31 Inzwischen mahnten ihn die Jünger und sprachen: Rabbi, iß!
32 Er aber sprach zu ihnen: Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nicht wißt.
33 Da sprachen die Jünger untereinander: Hat ihm jemand zu essen gebracht?
34 Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist die, daß ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.
35 Sagt ihr nicht selber: Es sind noch vier Monate, dann kommt die Ernte? Siehe, ich sage euch: Hebt eure Augen auf und seht auf die Felder, denn sie sind reif zur Ernte.
36 Wer erntet, empfängt schon seinen Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, damit sich miteinander freuen, der da sät und der da erntet.
37 Denn hier ist der Spruch wahr: Der eine sät, der andere erntet.
38 Ich habe euch gesandt, zu ernten, wo ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und euch ist ihre Arbeit zugute gekommen.
39 Es glaubten aber an ihn viele der Samariter aus dieser Stadt um der Rede der Frau willen, die bezeugte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.
40 Als nun die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb zwei Tage da.
41 Und noch viel mehr glaubten um seines Wortes willen
42 und sprachen zu der Frau: Von nun an glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; denn wir haben selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland.


Vorgeschichte:

Nach Jesu Tod und Auferstehung bildet sich in Jerusalem eine Gemeinde. Sie besteht einerseits aus alteingesessenen, aramäisch sprechenden Juden, andererseits aus griechisch sprechenden Juden, die aus ihren Heimatländern in das Land ihrer Väter zurückgekehrt waren (ähnlich wie heute Juden aus der ganzen Welt nach Israel einwandern und oft erst hebräisch lernen müssen). Zwischen den Alteingesessenen und den griechisch sprechenden Christen kommt es zum Konflikt, der schließlich zur Aufteilung in zwei Teilgemeinden führt (Ag 6). Die griechisch sprechende Teilgemeinde ist missionarisch aktiv (Ag. 6, 13 ff., Ag. 8,5) und wird schließlich vom „Establishment“ (Pharisäern und Schriftgelehrten) verfolgt (u. a. von Paulus vor seiner Bekehrung, vgl. Ag (8, 1-4)). Die griechisch sprechenden Christen fliehen (Ag. 8,1-4) und so breitet sich die christliche Botschaft langsam im römischen Reich aus. Ein Hauptstützpunkt dieser Bewegung wird Antiochien im heutigen Syrien. Auch die Samaritaner, die zwischen Jerusalem und Antiochien beheimatet sind, kommen mit der christlichen Botschaft in Berührung. Wie so oft (Jh. 20, 17-18) sind es wieder die Frauen, die sich zuerst bekehren und dann ihre Männer gewinnen. Die Begegnung Jesu mit der Samaritanerin am Jakobsbrunnen ist eine Bildgeschichte, die diese Missionsentwicklung widerspiegelt. Es geht also nicht um eine konkrete historische Begegnung zwischen dem irdischen Jesus und einer Frau, sondern um ein konkretes, historisches Ereignis: Die urchristliche Missionierung Samariens. Dies ist keine nachträgliche Interpretation, sondern die ursprüngliche Intention des Autors.

V. 1 - 4

Die Einleitung/Überleitung ist ein Widerhall der in der Vorgeschichte beschriebenen Ausgangssituation. Jesus (= die von ihm beseelte Gemeinde) zieht sich aus Jerusalem/Judäa zurück. Auf dem Rückzug nach Galiläa, der Dekapolis und schließlich Antiochien kommt Samarien unter urchristlichem Einfluss.

V. 5 - 6

Der Jakobsbrunnen steht für die Theologie, die den Juden und den Samaritanern gemeinsam ist. Beide schöpfen aus dem Jakobsbrunnen, Jakob ist ihr gemeinsamer Urvater. Im Jahr 926 v. Chr. haben sich die zehn nördlichen Stämme Israels vom Königshaus David getrennt. 722 v. Chr. wird die Oberschicht von den Assyrern verschleppt und ein Völkergemisch aus dem Osten angesiedelt. In der Folge werden im späteren Samarien neben Jahwe weitere fünf Gottheiten verehrt (2. Kön. 17, 24 – s.u.).

„Um die 6. Stunde“ (V. 6) = zur Mittagszeit. Keine gute Zeit zum Brunnengang. Bedeutung: Die Begegnung Samariens mit dem Christentum kommt überraschend, unerwartet, „zur Unzeit“.

V. 7 + 9

„Gib mir zu trinken“ (V. 7): Beginn des theologischen Dialogs. Was hat der Jakobsbrunnen, was hat der Glaube der Samaritaner zu bieten? Samarien begegnet dem Christentum – damals noch eine jüdische Sekte. Ein Tabubruch: Judenchristen gehen auf Samaritaner zu. Ein zweiter Tabubruch: Der erste Kontakt kommt durch samaritanische Frauen (oder war es tatsächlich eine einzelne Frau?) zustande.

V. 8

Dieser Einschub erklärt, warum Jesus allein mit der Frau spricht und bereitet gleichzeitig den Dialog mit den Jüngern vor (V. 27 ff.).

V. 11 – 14

Die Frau bezweifelt Jesu Autorität. Die Samaritaner bezweifeln die Autorität der ersten Christen. Stellen sie sich nicht über ihre Traditionen, über ihren Stammvater Jakob? „Der Brunnen ist tief“: Der alte Glaube hat „Tiefgang“. Er ist bewährt. Was könnte ihn übertreffen? – Antwort der Christen: Der Glaube Jakobs ist vorläufig. Er kann die Sehnsucht nach Leben nicht stillen. Der Glaube an Christus stillt die Sehnsucht und führt zum ewigen Leben.

V. 15 – 20

Wie kann eine Samaritanerin zu solchem Glauben kommen? „Geh hin, rufe deinen Mann“: Gemeint ist „deinen Gott“. Die Frau gesteht: „Ich habe keinen Mann.“ Samariens früheres Göttergemisch (fünf fremde Götter neben Jahwe, vgl. Anm. zu V. 5) führte zu einer diffusen Theologie und erschwert die Anbetung. Insbesondere der Ort der Anbetung schaffe Probleme. Nachdem die Juden des Südreichs aus babylonischer Gefangenschaft zurückkehrten und den Tempel in Jerusalem wieder aufbauen durften, wollten die Samaritaner beim Bau mithelfen. Das wurde von der Oberschicht Judas abgelehnt (Esra 4, 3), weil die Samaritaner durch den Kontakt mit den fünf angesiedelten Völkern und ihren Gottheiten als „unrein“ galten. Die jahwegläubigen Samaritaner errichteten daraufhin auf dem Berg Garizim ein eigenes Heiligtum zur Anbetung Jahwes. Darauf bezieht sich V. 20: „Ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.“

V. 21 – 24

Jesu Antwort überrascht. Denn der irdische Jesus hat sehr wohl im Tempel angebetet. Die Szene beschreibt aber die von Jerusalem getrennten griechisch sprechenden Christen zwischen Samarien und Galiläa bis hinauf nach Antiochien. Sie haben die Erfahrung gemacht: Tempel und Tempeldienst sind zur Anbetung Gottes nicht notwendig. Gott ist Geist, „der Geist weht, wo er will“, in der rechten Haltung kann Gott deshalb überall angebetet werden (vgl. 2. Kor. 3, 17 und Rö 12, 1).

Für die Samaritaner wie für die Juden ist diese Loslösung von einem geographischen Ort der Anbetung verbunden mit ihrer Messiaserwartung. In Jer. 31, 31 heißt es: „Ich werde euch das Gesetz ins Herz schreiben….“ Die Loslösung vom „äußerlichen“ Gesetz geschieht, so dachte man, mit dem Kommen des Messias. Er würde alle Menschen direkt belehren. Im Kontakt zu ihm würden äußere Orte der Belehrung und Anbetung hinfällig.

Damit erreicht die Geschichte ihren Höhepunkt: „Ich bin dieser Messias“, lässt Johannes Jesus sagen. Das genau ist die christliche Botschaft: Jesus ist der Messias, der Christus. Mit dieser Botschaft konfrontiert die Frau (die Frauen?) „die Leute“ in Samarien.

Sie ließ ihren Krug stehen“: Sie löst sich von ihrem Väterglauben und verkündigt Jesus als Christus.

V. 42

Der Glaube wird zwar von den Gläubigen weitergetragen, aber erst wenn der Hörende in direktem Kontakt zu Christus kommt, erreicht der Glaube sein Ziel. Das Zeugnis unserer Mitmenschen öffnet uns für den Glauben; die persönliche Verbindung mit Gott durch Christus begründet unseren persönlichen Glauben. Im Bild gesprochen: Der Christ sagt zum Nicht-Gläubigen: „Ich habe die Quelle gefunden – komm und sieh.“ Aber erst, wenn der Nicht-Gläubige kommt und seine Hand ins Wasser hält und selber trinkt, erfährt er die Kraft Gottes. – Diese Erfahrung beschreiben die Verse 31-42 unserer Bildgeschichte. Die Samaritaner lauschen der Frau: „Kommt und seht.“ Sie machen sich auf und begegnen Christus: „Von nun an glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; denn wir haben selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland.“

V. 31 – 38

Der eingeschobene Dialog mit den Jüngern kommentiert die Bekehrung der Samaritaner. Jesus hat zu Lebzeiten nur in seiner jüdischen Heimat gewirkt: „Ich bin nur gesandt zu den Schafen Israels“ (Mt. 15,24). Was legitimiert die Zuwendung der „griechischen“ Juden zu den Samaritanern? Vom auferstandenen Christus hören seine Jünger: Es ist der Wille Gottes (V. 34). Der Schlüsselsatz steht in V. 38: „Ich habe euch gesandt, zu ernten, wo ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und euch ist ihre Arbeit zugute gekommen.“ Die Samaritaner fallen der christlichen Gemeinde wie reife Früchte in den Schoß. Die Jünger sind überrascht (V. 27) (eine Parallele zu Ostern: Auch hier sind die Frauen die ersten Verkündiger.) Sein Brot, seine Speise ist nicht das, was ihm die Jünger anbieten („Rabbi, iss“.) Die Mission unter den Samaritanern steht im Einklang mit Gottes Willen und wird von Christus gutgeheißen.
 

 

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